Viele existierenden Workshops oder Tutorials, die sich mit der Studiofotografie beschäftigen, befassen sich ausgiebig mit der Studiotechnik, erläutern die Wirkung von diversen Studiolichtformern oder zeigen die unterschiedlichsten Studioaufbauten. Leider werden bei den Meisten die elementaren Grundregeln nicht erklärt bzw. Hinweise auf die typische Anfängerfehler weggelassen. Schlimmer noch: diese Fehler fungieren manchmal sogar als Beispiele!

Dieser Artikel soll eine erste Hilfestellung für die Portraitfotografie im Studio geben. Ich erkläre die Lichtführung anhand der Studioblitze. Allerdings ist es relativ egal welches Licht Sie einsetzen: seien es Studioblitze, Dauerlichtquellen oder einfach das Licht aus einem Fenster. Die grundlegende Zusammenhänge bleiben gleich. Obwohl dieser Artikel das Thema nicht komplett erläutern kann, sollen die hier dargelegten Grundlagen eine Basis für die ersten Experimente bieten. Natürlich sollen Sie den meisten Regeln nicht zu penibel folgen. Aber es ist immer gut, zunächst die Folgen zu kennen, bevor man die Regeln bricht ;-)

Noch eine Bemerkung: in diesem Beitrag verzichte ich bewusst auf den Umgang mit dem Belichtungsmesser im Studio. Obwohl ich dieses Thema für sehr wichtig halte, wird das den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dafür gibt es später ein gesonderter Artikel. Lesen Sie dazu Lichtführung und Blitzbelichtungsmesser.

Zwei Tipps zum Posen

Die meisten Menschen erscheinen viel massiver, als sie in der Wirklichkeit sind, wenn man ihren Körper frontal fotografiert. Bitten Sie das Modell sein Körper leicht zu drehen, achten Sie aber darauf, das die hintere Schulter noch zu sehen ist. So bietet der Körper genügend „Tragfläche“ für den Kopf.

Ein weiterer typischer Fehler: die portraitierende Person wird zu nah am Hintergrund platziert. Das Modell bekommt in diesem Fall genau so viel Licht wie der Hintergrund. So entgeht dem Fotografen die Möglichkeit den Beleuchtungskontrast zwischen dem Modell und dem Hintergrund gezielt zu steuern: also den Hintergrund nach Belieben heller oder dunkler zu machen (siehe dazu „Schwarzer Hintergrund“). In der Regel soll der Abstand zwischen der portraitierenden Person und dem Hintergrund zwei bis drei Meter betragen.

Für weitere Tipps zum Posen möchte ich auf das hervorragende The Zeltsman Approach to Traditional Classic Portraiture verweisen.

Lichtführung: worum geht es eigentlich?

Bevor wir die Lichtführung besprechen, stellen wir uns zunächst die Frage, was wir eigentlich erreichen wollen? Beim Einrichten des Lichts geht es nicht darum jemanden möglichst gut auszuleuchten, sondern zu versuchen, ein dreidimensionales Objekt auf einem zweidimensionalen Medium gut darzustellen. Den künstlerischen Aspekt lasse ich erstmal außen vor ;-). Die Form wird mit Hilfe von Licht und — ganz wichtig — Schatten modelliert. Ohne Schatten kann kein Volumen auf einem Foto entstehen.

Die allgemeine Zusammenhänge erläutern wir anhand des Rembrandtlichts. Dieses Lichtschema eignet sich auch sehr gut, um einem Anfänger die Angst vor Schatten zu nehmen.

Hauptlicht

Als erstes richten Sie das Hauptlicht — bekannt auch als Führungslicht — ein. Das Hauptlicht ist die dominierende Lichtquelle. Sie bestimmt den Schattenwurf und trägt somit entscheidend zum Endergebnis bei. Platzieren Sie die Hauptlichtquelle so, dass das Modell seitlich von oben ausgeleuchtet wird. Bewegen Sie nun die Lichtquelle vertikal und horizontal solange, bis Sie ein für das Rembrandtlicht typisches Lichtdreieck unter einem Auge erhalten. Idealerweise ist das Dreieck nicht breiter als das Auge und etwas kürzer als die Nasenlänge. Die untere Grenze des Nasenschattens verläuft oberhalb der oberen Lippe. (Bewegen Sie die Maus auf das rechte Bild, um die Hilfslinien zu sehen). Ein Tipp: Kneifen Sie Ihre Augen zusammen, wenn Sie den Schattenverlauf beim Setzten des Lichtes nur schwer beurteilen können. Beim weichen Licht oder einem schwachen Beleuchtungskontrast ist das oft der Fall. Durch diesen Augentrick wird der wahrnehmbare Kontrast erhöht und die Schattenform kann besser gesehen werden.

Rembrandt Harmenz van RijnRembrandtlicht

Auf dem linken Bild von Rembrandt sehen Sie die Volllicht-Variation (broad lighting). Das Hauptlicht beleuchtet die uns zugewandte Gesichtshälfte. Folgende Besonderheiten können hier erkannt werden: Durch den steileren Lichteintrittwinkel wird die Hautstruktur gleichmäßig und insgesamt schmeichelhafter wiedergegeben. Allerdings passt diese Variante eher für schlanke Modelle, da das Gesicht insgesamt etwas breiter, als es in Wirklichkeit ist, erscheint. Das rechte Bild zeigt das schmale Licht (short lighting). Wie der Name schon sagt, wird hier die von uns abgewandte „schmalere“ Gesichtshälfte vom Hauptlicht beleuchtet. Das Gesicht erscheint insgesamt schlanker. Diese Variante wäre beispielsweise bei einem Modell mit einem breiten bzw. runden Gesicht vorzuziehen. Generell kann man mit dem schmalen Licht wenig falsch machen.

Fehler: das Hauptlicht zu tiefFehler: das Hauptlicht zu hochZwei weitere Bilder illustrieren typische Fehler beim Setzten des Hauptlichts. Auf dem linken Bild ist die Hauptlichtquelle zu tief platziert. Der Nasenschatten ist zu dominant und einfach unschön. Ihre linke (für uns rechte) Wange wirkt unruhig durch den Lichtfleck, der mit gelb markiert ist. Das rechte Bild zeigt eine zu hohe Platzierung der Hauptlichtquelle. Der Nasenschatten geht über ihre Lippen. Die Lichtreflexe in den Augen sind kaum zu erkennen. Die Augen verlieren dadurch ihre Lebendigkeit.

Wie nah soll ein Hauptlicht an ein Motiv platziert werden? Der wichtigste Zusammenhang, den man immer im Hinterkopf behalten soll: Die Lichtintensität fällt quadratisch mit der Entfernung ab. Also, je weiter eine Lichtquelle von einem Motiv entfernt ist, um so unauffälliger ist der Abfall der Lichtintensität im Bereich des Motivs. Als Folge wirkt die Ausleuchtung gleichmäßiger. Ein typischer Abstand zwischen einem Motiv und einer Hauptlichtquelle bei einem Sitzportrait wäre beispielsweise ein Meter. Um ein Gesicht zu betonen und die Hände leicht in der Dunkelheit zu versenken, kann der Abstand bis zu 20-30 cm verringert werden. Für eine gleichmäßige Ausleuchtung vergrößert man den Abstand auf 2-3 Meter. Die „Gleichmäßigkeit“ des Lichts kann man am einfachsten mit einem Belichtungsmesser überprüfen. Man macht einfach eine Lichtmessung an den entsprechenden Stellen und vergleicht die Ergebnisse. Irgendwann entwickelt man ein Gefühl, wie der Abstand auf die Gleichmäßigkeit des Lichts auswirkt.

Aufhelllicht

Fotografieren Sie in einem abgedunkelten Raum, so weisen die ausgeleuchteten und die im Schatten liegenden Partien einen hohen Beleuchtungskontrast auf.

Mit Hilfe von Aufhelllicht kann der Beleuchtungskontrast und somit die Stimmung eines Bildes nach Belieben gesteuert werden. Bei einem dramatischen (Männer)Portrait fällt der Kontrast höher aus. Um ein weibliches Portrait romantischer zu gestallten, kann der Beleuchtungskontrast durch stärkeres Aufhelllicht verringert werden.

Das Aufhelllicht soll vorhandene Schatten aufhellen, dabei aber keine Neuen erzeugen. Aus diesem Grund wird dafür eine großflächige Lichtquelle mit weichem Licht verwendet. Die Anfänger platzieren das Aufhelllicht oft auf der dem Hauptlicht gegenüberliegenden Seite. Die Intention ist dabei die Schatten möglichst gut aufhellen zu können. Allerdings steigt dadurch die Gefahr Doppelschatten zu erzeugen. Um das zu verhindern, soll das Aufhelllicht möglichst nah an der Objektivachse platziert werden: neben oder auch über der Kamera. Gegebenenfalls können die Schatten, die noch immer existieren, zusätzlich mit einem Reflektor aufgehellt werden.

aufhelllicht.gif

Hintergrundlicht

Zusätzlich kann der Hintergrund leicht beleuchtet werden, um dem Bild mehr Raumtiefe zu verleihen. Am besten ist dafür eine kleine Softbox oder ein Reflektor mit Waben geeignet. Die Lichtintensität des Hintergrundlichts soll nicht zu stark ausfallen. Es geht darum den Hintergrund nur leicht zu betonen.

und Klick…

Es existieren mehrere Möglichkeiten einen Studioblitz beim Fotografieren auszulösen:

  • Sie verbinden Ihre Kamera und einen Blitzgerät mit einem Blitzsynchronisationskabel. Das ist eine günstige und zuverlässige Lösung, die zunächst vielleicht etwas archaisch anmutet :-) Sollte ihre Kamera keinen Synchronisationskabelanschluß aufweisen, können Sie einen Adapter für den Kamerablitzschuh nutzen.
  • Weiterhin ist es möglich, einen Infrarot-Auslöser zu verwenden.
  • Die wohl beste, aber auch die teuerste Möglichkeit stellen die Funkauslöser dar.

Die Belichtung in einem (abgedunkelten) Studio steuern Sie ausschließlich nur über die Blende. Der Hintergrund: Die Blitzdauer eines Studioblitzes ist in der Regel kürzer als die Blitzsynchronisationszeit der meisten Kameras. Stellen Sie Ihre Kamera in den manuellen Modus und die Verschlusszeit auf 1/125 Sekunde.

Digitalfotografen können sich nun an die korrekte Belichtung über die Wahl der Blende und die anschließende Beurteilung des aufgenommenen Bildes herantasten. Die Besitzer der Analogkameras machen eine Lichtmessung mit dem Blitzbelichtungsmesser vom Modell Richtung Kamera, um einen Blendenwert zu ermitteln.

Ich wünsche nur noch viel Spaß bei Ihrem ersten Studioportrait!

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